Über Transparenz, Vertrauen und Flugsicherheit
Über Transparenz, Vertrauen und Flugsicherheit
Liebe Mitglieder,
mit Sorge nahmen wir in den letzten Wochen verschiedene Medienberichte rund um die Organisation der Flugsicherheit im Lufthansa-Konzern zur Kenntnis: Bei Austrian Airlines führten laut des dortigen Betriebsrats vertrauliche Reports zu disziplinarischen Konsequenzen. Und bei der Lufthansa? Auch hier häufen sich Meldungen über Fehler bei der Flugplanung, etwa in Bezug auf Routenführung, Beachtung von Sperrzonen und Co. Schade, dass die Mitarbeitenden hiervon zu großen Teilen im Nachgang aus der Presse erfahren.
Und just in diesem Moment entscheidet man sich dafür, das bisher extern durch die HF Human Factor GmbH (in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Mayday) bereitgestellte CISM-Programm „inzusourcen“ und unter die Obhut des „LHG Health Hub“ zu stellen (die AG Gesundheit berichtete gemeinsam mit der AG DAS der VC). Diesbezügliche, proaktive und rechtzeitige Kommunikation, die auf Fragen der geplanten Organisation und Durchführung sowie auch zur Vertraulichkeit bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten eingeht? Fehlanzeige. Der im CRA erst drei Wochen vor Inkrafttreten (!) geschaltete Infotext lässt so ziemlich alle Fragen offen, die man sich hierzu stellen könnte.
Da passt es gut ins Bild, dass sich der Lufthansa-Airlines-CEO nicht zu schade dafür ist, der Bundesregierung presseöffentlich zuzusichern, „einen Beitrag für die Sicherheit des Landes zu leisten“. Was das bedeuten soll, weiß nur Jens Ritter. Anständig wäre es, jetzt einmal explizit klarzustellen, dass sich angesichts solcher Meldungen niemand Sorgen machen muss, im Kriegsfall gegen seinen Willen oder sein Gewissen auf Truppen- oder Materialtransportflügen eingesetzt zu werden und für solche Eventualitäten bereits jetzt verbindlich und proaktiv Freiwilligkeit als oberste Maxime festzuschreiben. Schließlich arbeiten Lufthanseat*innen bei einem privatwirtschaftlichen, zivilen Arbeitgeber.
Auch sonst läuft es leider so gar nicht: Eine rechtzeitige Dienstplanveröffentlichung? Bei Lufthansa leider auch in 2025 nicht möglich. Schade nur, dass diese gesetzlich vorgeschrieben ist, um euch die proaktive Planung eurer Ruhephasen zu ermöglichen. Nachdem Compliance mit europäischen Verordnungen hier über Jahre wohl schlichtweg ignoriert wurde, wurde nun im Juli dieses Jahres (!) eine Sonderregelung – ein sogenanntes AltMOC – zur Dienstplanveröffentlichung erlassen. Das Ganze allerdings erst, nachdem wir wiederholt beim Luftfahrtbundesamt und der EASA nachgefragt haben. Und jetzt der Knaller: Was drinsteht, ist Geheimsache!Weder Lufthansa noch das Luftfahrtbundesamt gewährten uns bislang Einsicht in das Dokument. Uns ist es völlig schleierhaft, wie man mit zunehmend unverbindlicheren Vorabinfos und abgelehnten Requests en masse rechtzeitig die Planung seiner Erholungsphasen sicherstellen soll.
Wir konstatieren: Es fehlt Transparenz an allen Stellen.
Transparenz im Umgang mit Presseberichterstattungen über interne Versäumnisse, Transparenz in Bezug auf die Zukunft von CISM und Transparenz im Kontext einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Militär im Kriegsfall. Und schließlich: Transparenz selbst in Bezug auf geltende Verfahren zur Dienstplanveröffentlichung.
Dieser chronische Transparenzmangel führt dazu, dass das Vertrauen in die Konzernführung immer weiter abnimmt. Wer kein Vertrauen „nach oben“ hat, spricht eigene oder fremde Fehler verhaltener oder gar nicht an, da er sich über einen verantwortungsvollen Umgang mit seinem Input nicht sicher sein kann. Das ist ein riesiges Problem für die Just Culture, welche als non-punitives System die Sicherheit im Flugbetrieb gewährleistet.
Wir alle wissen – ohne Vertrauen geht es in der Luftfahrt schlicht nicht.
Während wir in den operativen Bereichen zwischen Cockpit, Kabine und Bodenpersonal gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten, wird die Entfremdung zwischen OPs und Management im Lufthansa-Konzern leider immer größer.
Transparenz, Vertrauen und Flugsicherheit bedingen sich – und sie sind der ökonomische Grundstock jeglicher unternehmerischen Tätigkeit in der Luftfahrt.
Wir appellieren ans Management:
Gehen Sie mit dem in Sie gesetzten Vertrauen von Mitarbeitenden und Kunden gewissenhaft um. Sie hinterlassen mit Ihrem Führungsverhalten einen Impact auf die von Ihnen gemanagten Firmen. Und einmal verlorenes Vertrauen ist für auch für Ihre Nachfolger*innen kaum wiederherzustellen.
Äußern Sie sich proaktiv und nehme Sie Stellung zu sicherheitsbezogenen Themen, beziehen Sie die Personalvertretungen und Fachgewerkschaften in den Dialog bei sämtlichen Veränderungsprozessen ein und verschließen sie nicht Augen und Ohren vor Ihren Mitarbeitenden, die sich Sorgen um Ihr Unternehmen und dessen Firmenkultur machen.
Wir ersuchen Sie dringend: Schaffen Sie gute und verlässliche Rahmenbedingungen, damit wir unserem Job in einer von Transparenz und Vertrauen geprägten Umgebung nachgehen können.
Wir sind mit Herz und Seele Flieger*innen, trotz all der widrigen Umstände. Und wir werden nicht aufhören, Finger in Wunden zu legen, wo sie aufgerissen werden.
Eure AG Flugsicherheit



